Ehrlich & ambitioniert:

Eishockey an der Schwelle zum Profitum

Ein weißer Container, nur wenige Schritte hinter der Eishalle. Es wird Baustellen geben, die mehr Charme verbreiten. Die Gitterstäbe im Fenster sollen vor Einbrechern schützen. Drinnen ein Tisch, ein Stuhl, an der Wand hängen ein paar Nummern. Es sind die Rückennummern seiner Spieler: Frank Petrozza. Der Kanadier mit italienischen Wurzeln hat Jahrzehnte als Profi in Deutschland gespielt, so manche Eishalle zum Kochen gebracht. Nach der aktiven Karriere wechselte er auf die Trainerbank, führte den Traditionsstandort Herne im Ruhrgebiet erfolgreich in die dritthöchste Liga. Seit diesem Sommer hat er eine neue Herausforderung: EG Diez-Limburg, vierte Liga, Regionalliga West, ambitioniert, aber noch längst nicht da, wo man hin will.

„Wir wollen hier gemeinsam etwas aufbauen“, sagt Petrozza. Der Trainer trägt Anzug an der Bande.  „Ich habe eben italienische Wurzeln.“ Er spricht fließend deutsch, aber mit unverkennbarem nordamerikanischen Akzent. Wenn du dir einen Trainer im Eishockey vorstellst, er würde vermutlich genau so sprechen wie Frank Petrozza. „Wir haben einen langen Weg vor uns. Aber wir können viel erreichen. Bei mir steht die Mannschaft immer an erster Stelle, niemals der Name. Team first! Das ist meine Devise.“ Ein kleines Eishockeyprojekt an der Lahn – viel Charme, Herz, Einsatz. Und dennoch weit weg von den großen Arenen mit viel Glanz und Konfetti. Aber das stört hier niemanden.

Aus der 2. Bundesliga zu den Rockets

Er sagt dies, weil er sie im Team hat – die für diese Liga großen Namen. Zwei Beispiele: Keeper Jan Guryca hat bis zur vergangenen Saison bei den Roten Teufeln in Bad Nauheim in der 2. Liga gespielt (DEL2). Auch Stürmer Kevin Lavallee kommt aus der gleichen Liga, trug zuletzt das Trikot der Falken aus Heilbronn. Zwei Spieler, Mitte 30, die ihren Fokus zukünftig auf die berufliche Karriere richten. Die aber sportlich noch aktiv bleiben wollten. Da kam für die beiden, die in Bad Nauheim wohnen, die ambitionierte EG Diez-Limburg gerade recht. Die Rockets haben sich in den vergangenen Jahren bereits einen Namen gemacht. Das lockt auch Namen an – wie Guryca und Lavallee. Auch wenn sie dafür für jede Trainingseinheit und die Spiele 85 Kilometer einfache Strecke über die Landstraße nach Diez in Kauf nehmen.

Andere pendeln gar aus Kassel oder Düsseldorf zur EGDL. Eishockeyspieler sind – nicht nur auf dem Eis – durchaus auch ein bisschen verrückt und nehmen viele Staus im Feierabendverkehr in Kauf, um mit Kufen über das Eis zu fliegen. „Namen sind Namen, wir brauchen aber ein Team, um erfolgreich zu sein“, unterstreicht der Trainer. Die Rockets sind nun im vierten Jahr Teil der Regionalliga. In den vergangenen beiden Spielzeiten jeweils mit starkem Kader ausgestattet, reichte es in den vergangenen beiden Jahren „nur“ zur Vizemeisterschaft und zum Halbfinale. In diesem Jahr soll der große Wurf gelingen: Meisterschaft. Es wäre ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Entwicklung des Standortes Diez-Limburg.

Zuschauer-Interesse steigt mit sportlichem Erfolg

Dass diese jedoch noch Zeit braucht, zeigen die nur langsam wachsenden Zuschauerzahlen. Zum Derby gegen Neuwied kommen auch mal mehr als 1.000 Zuschauer, zu anderen Spielen aber eben nur ein paar Hundert. Dabei war Limburg im Eishockey mal zweitklassig, aber das ist lange her. Und weil zwischendurch jahrelang kein ambitionierter Sport geboten wurde, ist eine ganze Fan-Generation verloren gegangen. Diese nun wieder neu aufzubauen braucht Zeit. Es braucht aber vor allem auch sportlichen Erfolg. „Wir wissen, dass es einfacher ist, wenn die Mannschaft oben mitspielt“, sagt Willi Lotz. Der Unternehmer ist Hauptsponsor und Vorstandsmitglied, investiert Geld, Zeit und manchmal auch Nerven in die Rockets. „Wir haben hier unheimlich gute Möglichkeiten. Im Umkreis gibt es viele Unternehmen, die als potenzielle Sponsoren in Frage kommen. Der Kreis der Unterstützer wächst von Saison zu Saison. Dazu bietet das Einzugsgebiet auch jede Menge Potenzial für Zuschauer und Fans.“

Meisterschaft bedeutet nicht gleich Aufstieg

Ein Blick auf die Landkarte verdeutlicht dies: Wer höherklassiges Eishockey sehen möchte, der muss nach Frankfurt, Bad Nauheim, Köln, Kassel oder Mannheim. In der gleichen Liga gibt es ansonsten nur noch die Neuwieder Bären. Und weil dies der Derbygegner ist, macht es Sinn in des Gegners Halle nur bei Spielen gegeneinander Sinn. „Wir wollen hier langfristig etwas aufbauen“, unterstreicht Willi Lotz, „Erfolg hilft uns dabei sicherlich, weshalb wir gerne in einen starken Kader investieren. Wir möchten unseren Fans hier tollen Sport bieten. Sollten wir am Ende aber die Meisterschaft gewinnen, heißt das noch lange nicht, dass wir jetzt schon den nächsten Schritt in die dritthöchste Liga, die Oberliga gehen.“ Zwar ist zwischen den beiden Ligen nur eine Klasse Unterschied, dennoch trennen die Teams (vor allem finanziell) Welten. In den vergangenen Jahren haben die Regionalliga-Meister aus unterschiedlichen Standorten jeweils auf den Aufstieg verzichtet.

Die Rockets sind von solchen Gedankenspielen noch weit entfernt, der neue Kader und der neue Trainer sorgen aber gleichwohl schon vom ersten Spieltag an für Furore. Petrozzas Team hat das erste Saisonspiel gleich mal zweistellig gewonnen und stand seither ungeschlagen an der Tabellenspitze der Regionalliga. „Es ist ein Prozess“, unterstreicht der Trainer, während er sich in seinem Trainer-Container das Sacko überstreift. Es geht zur Pressekonferenz nach dem Spiel in die Stadiongaststätte. „Ein Prozess“, wiederholt er stoisch, „Wir müssen den Anspruch haben, uns jeden Tag ein bisschen zu verbessern.“ Er bezieht dies auf seine Mannschaft, es trifft aber auch zu 100 Prozent auf die Entwicklung des Vereins zu.

Ein Verein, der für den Moment noch ganz ohne Glanz und Konfetti daherkommt, der aber schon heute ganz viel Eishockey-Leidenschaft lebt.