Von Null auf

IRONMAN

Otto Ströbel besiegt den Mythos Hawaii

Seinen ersten Marathon läuft Otto Ströbel 2018, im Alter von 41 Jahren. Ein Jahr später traut sich der Hobby-Triathlet erstmals an die Ironman-Distanz – und qualifiziert sich auf Anhieb für die „Ironman World Championship“ auf Hawaii. Dort brach er sich im Wettkampf die Hand, merkte es aber nicht. Die ziemlich unglaubliche Geschichte des Familienvaters aus Simmern (WW) beginnt viele Jahre zuvor auf dem Rennrad – und vor dem Fernseher.
„Ich bin schon als Jugendlicher immer gerne Rad gefahren“, sagt der 43-Jährige. „Aber in den Anfangsjahren nie als Wettkampf, immer nur aus Leidenschaft.“ Ströbel stammt aus Birkenfeld im Hunsrück, macht eine Ausbildung zum Krankenpfleger, geht später zum Studium nach Baden-Württemberg und arbeitet heute als Diplom-Ingenieur im Bereich Medizintechnik. Sport? Der war schon immer präsent. Aber nie so präsent wie in den vergangenen fünf Jahren.
„Alles begann bei mir mit einer Umstellung meiner Ernährung, initiiert von meiner Frau. In dieser Zeit habe ich auch mit dem Laufen angefangen“, erinnert sich Ströbel. „Das war für mich bis dahin immer sehr beschwerlich. Aber durch den Gewichtsverlust merkte ich: Da geht was! Im Jahr 2017 haben wir dann auf vegane Ernährung umgestellt.“ Bis zur ersten Umstellung hatte er für sein Ausdauer-Training stets auf dem Rennrad gesessen, auch an Wettkämpfen teilgenommen wie dem Öztaler Radmarathon oder beim Rennen in Hamburg. „Doch durch den Beruf wurde die Zeit für das Radfahren immer knapper. Ich habe nur noch für mich Sport getrieben, nicht mehr für den Wettkampf. Durch die neue Ernährung wurde Laufen ein Faktor, meine Leistungsfähigkeit stieg.“

„Triathlon? Das klingt spannend!“

Als seine Kinder vor vier Jahren dem DLRG Vallendar
beitreten, erfährt er durch Zufall, dass dort auch Tri-
athlon für Erwachsene angeboten wird. „Da habe ich
mir gedacht: Das mache ich mal! Schwimmen hatte
mir wie Radfahren nie Probleme bereitet, das klang
nach einer spannenden Herausforderung.“

An seinen ersten kleinen Triathlon im Jahr 2017
kann er sich auch noch sehr gut erinnern: „Ich
habe gepumpt wie verrückt. Es war unfassbar
anstrengend.“ Unvorstellbar, dass er zwei Jahre
später am Ironman auf Hawaii teilnimmt. Doch
Ströbel hat der Ehrgeiz gepackt, er will es wissen,
nimmt an verschiedenen Laufveranstaltungen teil,
wird immer besser.

Im Sommer 2018 quält er sich im Kraichgau erstmals
über die Mitteldistanz: 1900 Meter Schwimmen, 90
Kilometer Radfahren, 21,5 Kilometer Laufen. „Ich
habe extremes Lehrgeld gezahlt. Ich bin ein echter
Wettkampftyp und habe Probleme damit, mich
zu zügeln und mir die Kräfte für vier, fünf Stunden
einzuteilen. Beim Schwimmen war noch alles okay,
bei Radfahren wollte ich zu viel, dann hatte ich
Probleme mit der Ernährung und bin zu Beginn der
Laufstrecke komplett eingebrochen.“ Doch Ströbel
gibt nicht auf. „Die Zeit war am Ende miserabel,
aber ich habe es durchgezogen.“ Von einem Iron-
man aber war er Welten entfernt. Dennoch traut er
sich im Oktober 2018 in Frankfurt erstmals an den
Marathon heran – und kommt prima durch.
„Danach habe ich es dann wissen wollen.“

Frankfurt wird zum Wendepunkt

Also startet er ein Jahr später in Frankfurt zum
ersten Mal bei einem Ironman. Es ist der 30.
Juni 2019, über der Mainmetropole brennt der
Planet. Es ist heiß, die Bedingungen sind extrem.
„Ich wollte das Ding nur sauber über die Bühne
bekommen und überstehen“, erinnert sich Ströbel
an seine Vorsätze. „Auf der Strecke ist dann alles
prima gelaufen. Beim Schwimmen und beim
Radfahren hatte ich keine Fehler drin. Das Laufen war
extrem, aber auch das habe ich sehr gut gemeistert.“

Ströbel kommt als unglaublicher 15. von insgesamt
450 Startern seiner Altersklasse (40 bis 44) ins Ziel.
Das war noch ein Jahr zuvor undenkbar gewesen.
Doch es kam noch besser: Die besten 12 jeder Alters-
klasse qualifizieren sich für Hawaii. Und weil drei

Starter vor ihm verzichten, rutscht er ins Teilnehmer-
feld für den größten Ironman der Welt. Was andere
über Jahre versuchen und nie erreichen, schaffte
Ströbel mit nur einer Ironman-Teilnahme in
Frankfurt.

„Hawaii? Das kannte ich bisher nur aus dem Fernse-
hen“, erinnert sich der 43-Jährige. „Ich habe damals
zu Zeiten von Norman Stadler immer den Wettkampf
im Fernsehen geschaut. Ich habe damals gedacht:
Wie kann ein Mensch nur diese unglaubliche Aus-
dauer aufbringen?“ Und jetzt war er selbst mittendrin.
„Das war schon alles total verrückt. Zu jeder Tages-
und Nachtzeit hast du Leute gesehen, die trainiert
haben oder mit freiem Oberkörper durch die Gegend
gelaufen sind. Ich war komplett unter Gleichgesinnten,
ein grandioses Gefühl. Da waren wirklich nur Freaks
unterwegs, die den Sport so lieben wie ich.“

„Ich musste mir nichts mehr beweisen“

Natürlich kannte Ströbel auch alle Mythen, die es zu
diesem Ironman gibt. „Die Hitze, die hohe Luftfeuch-
tigkeit, die Winde auf der Radstrecke. Ich hatte gro-
ßen Respekt vor dem Wettkampf, aber keine Angst.
Ich musste mir auch nichts mehr beweisen, ich wollte
es einfach nur genießen und Spaß haben. Frankfurt
war die Pflicht, Hawaii die Kür.“ Eine Kür über 3,86
Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren
und 42,195 Kilometer laufen.
Dass er bei Kilometer 160 auf der Radstrecke stürzt,
war so nicht eingeplant. „Als ich zur Flasche griff, hat
mich ein anderer Radfahrer leicht touchiert und zu
Fall gebracht. Meine größte Sorge war: Ist das Rad
noch in Ordnung?“ Es war, Ströbel fuhr weiter und
lief anschließend noch den Marathon. „Ich hatte ein
paar Schürfwunden. Und ich hatte Schmerzen in der
Hand. Aber das habe ich unterwegs mit Eis gekühlt.“

Erst in Deutschland lässt er die Hand untersuchen.
Diagnose: Bruch der Mittelhand. „Auf der Strecke
selbst habe ich das versucht auszublenden.“ Das
Adrenalin tat ein Übriges. Was nach dem Erlebnis
„Ironman auf Hawaii“ bleibt, ist das, was bei so
vielen Teilnehmern bleibt: „Wenn du es einmal
geschafft hast, ist es fast Pflicht, es noch mal zu
schaffen. Bei der Eröffnungsfeier sollten
alle aufstehen, die nicht zum ersten Mal da sind.
Ich bin gefühlt als Einziger sitzengeblieben. Ich
möchte es nochmal tun, lasse dieses grandiose
Erlebnis aber erst einmal sacken.“ Für 2020 hat er
andere Pläne: Die Langdistanz in Roth und die Mittel-
distanz im Kraichgau. Mit der Strecke hat Otto
Ströbel noch eine Rechnung offen.